Dem #Weedmob, also jener Community welche regelmäßig auf Twitter mit Hashtags wie #EntkriminalisierungJetzt oder #Legalisierung2023 trendet und den Diskurs um die Freigabe zu Genusszwecken befeuert, bleibt kein Tweet zum Thema Cannabis verborgen. Alles was die zuständigen Regierungsmitglieder so von sich geben, wird unverzüglich geteilt, kommentiert und heiß diskutiert. So folgte auch auf den aktuell geleakten Gesetzesentwurf zur so genannten `Säule 1´ sehr schnell ein großer Sturm der Entrüstung. Und das völlig zu recht.  Denn das, was aus dem ursprünglich so vollmundigen Wahlversprechen einer vollständigen und sehr durchdachten Legalisierung von Cannabis für Erwachsene übrig geblieben ist, spottet der Bezeichnung und wird dem großen Ziel einer weitgehenden Ausrottung des Schwarzmarktes nicht mehr ansatzweise gerecht.

Die im Koalitionsvertrag angekündigten, lizensierten Fachgeschäfte sind im neusten Entwurf sogenannten Cannabis Clubs mit streng limitierten Mitgliederzahlen und noch strengeren Auflagen gewichen. Dabei hat das was sich hinter den abstrusen Ideen des Herrn Lauterbach verbirgt weder den Charme spanischer Social-Clubs, noch soll es den üblichen Gesetzen typisch deutschen Vereinswesens unterworfen sein.

Eine Versorgung mit Cannabis, über dessen Konsum Lauterbach in der Sendung von Markus Lanz kürzlich unverhohlen sagte, dass es ihn seiner Meinung nach am besten gar nicht gäbe, soll dabei durch den Anbau in sonderbaren Vereinigungen sichergestellt, von Behördenseite umfangreich kontrolliert und vom dankbaren Kiffer dann bitte möglichst alleine zu Hause, im stillen Kämmerlein vollzogen werden. Oder nach 20 Uhr in der Fußgängerzone.
Im Anbau-Club selbst ist das Anzünden einer Sportzigarette bei der Gartenarbeit aber wiederum streng verboten.

Die Verantwortlichen dieser Anbau-Genossenschaften sollen ausschließlich aalglatte Typen sein dürfen, neben denen selbst der Bachelor wie ein Mitglied der Hells Angels wirken würde. Klar, denn immerhin sollen sie selbstverständlich auch die Mitglieder und deren Konsumgewohnheiten registrieren, kontrollieren und am Ende natürlich auch noch persönlich für jegliche Verstöße der Mitglieder haften.

Nachdem das kollektive Entsetzen über die seit einigen Wochen bekannten Pläne des Gesundheitsministers, Clubs statt Fachgeschäfte einführen zu wollen, schon fast wieder abgeklungen war, brachte der Leak des konkreten Gesetzesentwurfs jetzt endgültige Gewissheit: Das was man dem Volk als Legalisierung verkaufen will, ist vielmehr eine Art Prohibition 2.0.
Schlimmer noch. Denn gleichzeitig könnte es wohl auch noch das wertvollste Geschenk an die organisierte Kriminalität seit Harry Anslinger werden. Denn um den Wahnsinn in konsequentester Weise zu vollenden, hat sich Lauterbach noch mehr üblen Schwachsinn einfallen lassen.

Der Eigenanbau im Garten, auf dem Balkon oder im kleinen Growzelt ist eine gute, vergleichsweise kostengünstige Möglichkeit der Selbstversorgung und läuft dem Schwarzmarkt sehr zuwider. Schon mit ein wenig Geschick und viel Fleiß kann man den eigenen Bedarf abdecken. Wer darüber hinaus noch über einen grünen Daumen verfügt, kann auch seine engsten Freunde günstig mit guter Qualität versorgen.

Nach anfänglicher Unsicherheit, ob die neue Regierung denn wohl auch grünes Licht für Hobbygärtner geben würde machte sich große Freude und Erleichterung breit als öffentlich wurde, dass Lauterbach nach anfänglicher Zurückhaltung nun doch den Anbau von immerhin 3 blühenden, weiblichen Pflanzen pro volljähriger Person erlauben wollte.

Was haben wir gelacht... Drei Pflanzen können ja auch drei meterhohe Bäume werden.

Aber mal im Ernst: Mit ein wenig Übung kann der selbst Ertrag von nur drei Hanfpflanzen ja zur Deckung des Eigenbedarfs über einen Erntezyklus hindurch ausreichen. Denn mit gutem Timing, entsprechender Vorbereitung und einem ausreichenden Maß an Disziplin ist es durchaus möglich, alle 3 Monate eine stattliche Ernte einzufahren. Also Schwarzmarkt ade!  

Doch da haben wir die Rechnung ohne den Karl gemacht.
Denn im Gesetzesentwurf wird er plötzlich erschreckend konkret und begrenzt den Eigenanbau nicht nur quantitativ, sondern obendrein auch noch zeitlich: Erlaubt werden sollen 3 Pflanzen pro Person und pro Kalenderjahr!  

Lauterbach hat doch immer deutlich gesagt, dass er sich zu dem Thema Cannabis und dessen Legalisierung von Experten beraten lässt. Dass es sich dabei um Experten mit Sachverstand über die betreffende bzw. betroffene Szene handeln würde, hat er hingegen nie gesagt.  Auch nicht, dass seine Berater pro Legalisierung oder pro Konsument eingestellt wären. Das haben wir wohl selbst in Lauterbachs Worte hineininterpretiert.

Was er hingegen immer wieder deutlich gesagt hat war, mit der Legalisierung eine Reduzierung des Konsums erreichen zu wollen. Insofern war wohl der Cannabis affine Wunsch der Vater des Gedanken, Lauterbachs Legalisierungspläne seien eine wohlwollende Verbrüderung mit dem Weedmob im Kampf gegen skrupellose Straßendealer. Seine Ansage, dem Cannabiskonsum durch kontrollierte Qualität einen Großteil der gesundheitlichen Gefahren nehmen zu wollen, war im Nachhinein betrachtet wohl wirklich bloß einem gesundheitspolitischen Konzept zur Verbesserung der Volksgesundheit geschuldet.

Durch seine Fachleute hat er sich im Hintergrund dabei scheinbar gerade so viel Insiderwissen über die Szene angeeignet, wie er zur Durchsetzung seiner eigenen Ziele zu benötigen glaubt. Und diese Ziele liegen eben allein darin, im Hinblick auf die Senkung des Konsums tatsächlich wirkungsvolle Maßnahmen zu implementieren. Und nicht etwa darin, der Hanfcommunity ein chilliges Geschenk zu machen.

Schon die Einigung der Ampel-Parteien auf die Formulierung im Koalitionsvertrag beruhte einzig auf der späten Anerkennung einer schnöden aber richtigen Erkenntnis davon, dass Prohibition eben nicht funktioniert. Und nicht etwa auf der Idee, den Konsum im Sinne der Kiffer irgendwie angenehmer zu machen oder die Versorgung mit Dope zu erleichtern. Auch da waren alle beteiligten immer offen und ehrlich.

Dabei scheint der eigentliche Geniestreich aber ein ganz anderer zu sein. Man könnte meinen, Lauterbach würde die Philosophie fernöstlicher Kampfkünste auf seine neue Art der Drogenpolitik anwenden, indem er nicht länger gegen die Kraft des übermächtigen Gegners anzukämpfen versucht, sondern stattdessen die Energie des Gegners auf seine eigenen Ziele richtet.
Karl ruft: „ Ich legalisiere! Denn ich will dass ihr nicht kifft!“ und alle Kiffer, äh pardon Wähler so: „ Yeah das wollen wir auch!“

Nach Jahren des engagierten Aktivismus feiert der Weedmob, vom plötzlichen Erfolg völlig benebelt, das neue `Erwachen´ in der Drogenpolitik und ist schier überwältigt vom schönen Gefühl, es immer schon gewusst und nun endlich Recht bekommen zu haben. Da wurde der ehemalige Feind bereitwillig zum neuen Erlöser von der Knechtschaft eines viel zu lange währenden Unrechts gekrönt. Keine kritischen Stimmen zu hören, die nach der wahren Intention hinter dem plötzlichen Sinneswandel fragen. Denn alle sind sich sicher: Endlich haben sie es kapiert und jetzt wird alles gut!

So hat Lauterbach ziemlich geschickt einen erstaunlich vertrauensvollen Konsens mit der Legalize-Szene geschaffen. Plötzlich ziehen alle an einem Strang: Gemeinsam gegen das organisierte Verbrechen. Gemeinsam für Gesundheitsschutz. Gemeinsam für den Jugendschutz. Das war es doch schließlich wofür die Hanfgemeinde jedes Jahr auf die Straßen geht und lauthals demonstriert. Und das ist doch auch genau das, was Lauterbach möchte. Nur möglichst eben doch lieber ohne das die Leute dieses gefährliche Gras rauchen.  

Wohl niemals zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik hatte ein Gesundheitsminister die Chance, mit seiner Arbeit derartig Resort übergreifende Auswirkungen zu entfalten. Denn nur selten tangieren Gesundheitsreformen zusätzlich auch das Justiz-, das Landwirtschafts- und das Verkehrsministerium gleichermaßen. Dabei ist Lauterbach Teil der ersten Regierung überhaupt welche verstanden zu haben scheint, dass die Wege zu den Zielen der unterschiedlichen Interessensgruppen parallel verlaufen. Wenn man nur den alten Trampelpfad der Prohibition verlässt, kann man quasi per Anhalter bei den Kiffern mitfahren und kommt viel leichter ans eigene Ziel. Ein Fuchs dieser Karl!

Lauterbach steht als federführende Person der Operation `Legalisierung´ vor der großen Gelegenheit Geschichte zu schreiben. Und wenn er bloß alles richtig macht, dann wird er am Ende nicht nur von ein paar zotteligen Kiffern gefeiert sondern als Retter der Welt! Oder wenigstens von Deutschland. Diese Gelegenheit zerstört man sich doch nicht, indem man Kiffern das Kiffen ermöglicht und dabei das politische Establishment mit einer echten Legalisierung empfindlich vor den Kopf stößt. Wenn sich aber alle diese Probleme mit 3 Pflanzen im Jahr und einem rund um die Uhr bewachten Gefängnisgarten lösen lassen, ist unser Karl eben ein Pragmatiker, ein echter Macher.
Dann macht er es einfach! So what ihr Kiffer?!

Na, ganz so einfach macht er es uns dann ja leider doch nicht. Maximal 10% THC für Erwachsene zwischen 18 und 21 Jahren, maximal 25 bzw. 25 Gramm pro Person, maximal dies, maximal das. Ein überreguliertes Bürokratiemonster ohne realistische Konkurrenzfähigkeit zum altbewährten Schwarzmarkt, welcher schon schlimmeres überstanden hat als diese halbherzige Scheinfreigabe. Denn Cannabis ist eben keine neue Droge, wie Markus Söder und Konsorten den besorgten Bürgern ständig einzureden versuchen. Cannabis ist ein Genussmittel mit Kultur und etablierten Versorgungswegen. Ein weltweites Kulturphänomen welches sich allen Widrigkeiten zum Trotz – oder gerade deshalb – bestens entwickelt hat. Kein Gefängnis der Welt ist frei von Drogen und dann soll dieses Machwerk den Schwarzmarkt ausmerzen? No way!

Cannabis ist Musik, Cannabis ist Kunst, Cannabis ist Literatur. Aber allem voran ist Cannabis eben auch Geselligkeit! Dabei ist der Drogenumschlagplatz hinter dem Bahnhof ebenso wenig symbolisch für die Szene, wie es der Ballermann für Mallorca ist. Mit der Kultur hinter Pflanze ist Lauterbach aber nur vom Hörensagen vertraut. Und deshalb ist diese Legalisierung, oder das was nun noch davon übrig zu sein scheint, ein unter Laborbedingungen gezeugtes, ungewolltes Kind der Prohibition. In der realen Welt nicht (über-)lebensfähig. Einmal auf die Menschheit losgelassen, wird es weit mehr Schaden als Nutzen bringen, bis es dann beim nächsten Wahlsieg der Konservativen wieder in Ketten gelegt und in den Keller gesperrt wird.           

Dabei ist doch völlig klar, welchen Mehrwert ein CSC seinen Mitgliedern und der Region bieten kann und sollte. In Spanien macht es die Kultur der Cannabis Vereine vor. Schon viele Jahre sind diese Clubs in einigen Regionen des Landes aktiv und fest in der Gesellschaft verankert. Dabei wird das Wort `Social´ mindestens so fett geschrieben wie das Wort Cannabis.

Etablierte Clubs einer gewissen Klasse bieten ihren Mitgliedern einen großen Mehrwert und viele Vorteile, welche das Vereinsleben typischerweise so mit sich bringen und die aus Spenden und Beiträgen finanziert werden. Kleinkunst- und Bildungsveranstaltungen, Fit- und Wellness Angebote sowie verschiedenste Arten von Workshops runden das Konzept eines guten CSC ab und machen solche Vereine zu wertvollen Kulturstätten für die Region. Es geht bei Weitem nicht nur um schnöden Drogenanbau und Konsum.

Ein Cannabis Social Club ist der Nährboden auf dem durch die aktive Beteiligung seiner Mitglieder eine tief verwurzelte und starke Kultur gedeihen kann. Resistent und wirksam gegen die organisierte Kriminalität wird das Konzept aber nur in Kombination mit einem gesicherten legalen Status und verständlichen, durchsetzungsfähigen und kontrollierbaren Regeln.

Die Überregulierung der Clubs und die Limitierung der Produktions-, Abgabe- und Besitzmengen werden hingegen eine künstlich herbeigeführte Steigerung des Selbstkostenpreises bewirken und die Begrenztheit der Produkte wird der Nachfrage nicht gerecht werden können. Beides zusammen wird die besten Bedingungen für den Schwarzmarkt schaffen die es jemals gab.

In dubio pro Canna - Alles ist irgendwie legal, bis die Illegalität nachgewiesen ist!
Wird man nicht gerade beim unerlaubten Handel erwischt, drohen einem so schnell auch keine Strafen. Denn ein Erwerb aus illegaler Quelle wird dem Konsumenten nahezu unmöglich nachzuweisen sein, wenn er oder sie Mitglied in einem Club ist und/oder zuhause vor kurzem seine drei legalen Pflanzen geerntet haben könnte. Und trotz massiver Preissteigerungen wird `Straßen Cannabis´ noch deutlich günstiger erhältlich sein, als das Hochsicherheits-Clubweed. Wer würde denn da den preiswerten Dealer anschwärzen.

Paradiesische Zustände für die Mafia. Während Polizei und Behörden mit der wichtigen Aufgabe beschäftigt sind herauszufinden, ob Kiffer A nicht vielleicht schon den zweiten Durchgang des Jahres am Laufen hat, oder von welchem regelbrüchigen Anbauverein der erst 18 jährige Kiffer B, Stoff mit 20 statt 10 Prozent THC erhalten haben könnte, erschließt sich das organisierte Verbrechen die zahlreichen Lücken im viel zu stark durchdachten System. Die althergebrachten Strukturen auf der illegalen Produktionsebene bleiben einfach bestehen, sie sind dann ja auch nicht viel illegaler als immer schon. Und auf der Vertriebsebene bieten sich, Dank der legalen Besitzmenge von wenigstens 25 Gramm, nie gekannte neue Absatzmöglichkeiten, während gleichzeitig die polizeiliche Jagd auf Verkehrsteilnehmer mit cannabinoidem Hintergrund erst richtig eröffnet wird.

Was Lauterbach hier ins Rennen schickt ist von einer echten Legalisierung so weit entfernt, wie Markus Söder von seinem ersten Joint und wird den Weedmob nicht ruhigstellen.